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4 Lexikalische Kreativität1

¿Cómo se dice Fernweh en español?

Wer versucht, das deutsche Wort Fernweh ins Spanische zu übersetzen, merkt schnell: So einfach ist das nicht. Zwar lässt sich die Bedeutung umschreiben – etwa mit deseo de viajar oder ansias de ver el mundo –, doch eine direkte Entsprechung gibt es nicht. Dieses Beispiel zeigt: Sprache ist immer Ausdruck von Weltwahrnehmung, kulturellen Erfahrungen und kreativen Prozessen. Sie entsteht und verändert sich ständig im Gebrauch. Und darum, wie dabei kreativ neue Wörter entstehen, geht es in diesem Kapitel.

Im Spanischen entstehen laufend neue Wörter. Selbst scheinbar spontane Neuschöpfungen wie balconear (auf dem Balkon verweilen oder mit anderen kommunizieren) oder zoompleaños (‘Geburtstagsfeier über Zoom’), entstanden während der COVID-19-Pandemie, zeigen, wie flexibel Sprache auf neue gesellschaftliche Realitäten reagiert. Diese und viele weitere sogenannte palabras pandémicas dokumentieren die kreative Anpassungsfähigkeit des Spanischen an neue Lebenssituationen.

Wortbildung folgt dabei bestimmten Strukturen. Zwar gibt es vereinzelt Fälle sogenannter creación ex nihilo – Wörter, die scheinbar aus dem Nichts entstehen, wie gas (ursprünglich aus dem Niederländischen chaos, ‘Luft, Dampf, unsichtbarer Stoff’) oder jitanjáfora (lautspielerischer Ausdruck ohne reale Bedeutung) –, doch in der Regel entstehen neue Wörter nach erkennbaren Mustern. Wer diese Muster kennt, versteht besser, wie Sprache funktioniert, und kann sich neue Wörter leichter erschließen oder eigene bilden.

Gerade im Fremdsprachenunterricht eröffnet das Thema Wortbildung wichtige Potenziale: Es hilft, Wortschatz nachhaltiger zu lernen, fördert Sprachbewusstheit und lädt zum spielerischen Umgang mit Sprache ein. Dieses Kapitel zeigt die wichtigsten Wortbildungsprozesse des Spanischen und wie sie im Unterricht gezielt eingesetzt werden können.

Was ist Wortbildung?

Die Wortbildung ist ein Teilgebiet der Morphologie – also der Lehre vom inneren Aufbau der Wörter. Sie beschäftigt sich damit, wie aus vorhandenen sprachlichen Bausteinen neue Wörter entstehen.

Die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten heißen Morpheme. Man unterscheidet:

  • Wortstämme oder Wurzeln – tragen die Grundbedeutung, z. B. habl- in hablar
  • Affixe – werden an den Stamm angefügt und verändern Bedeutung oder Wortart:
    • Präfixe (Vorsilben), z. B. in- in infeliz
    • Suffixe (Nachsilben), z. B. -dor in trabajador

Die Wortbildung unterscheidet sich von der Flexion: Während Flexion grammatische Formen verändert – etwa Person, Numerus oder bei Verben auch Tempus und Modus (z. B. niño – niños, hablo – hablábamos) –, schafft Wortbildung neue Ausdrücke mit neuer Bedeutung (z. B. trabajar → trabajador).

Für den Unterricht ist das durchaus relevant, weil Lernende durch das Erkennen solcher Bausteine die Bedeutung vieler Wörter selbst ableiten können. So wird Wortschatzlernen nachhaltiger und das Sprachbewusstsein gestärkt.

Warum und wie kann dieses Kapitel nun sinnvoll für Lehrkräfte und Lernende sein?

Wortbildung ist mehr als ein technischer Teilbereich der Grammatik – sie ist ein Fenster in den Wortschatz und die Struktur der Zielsprache. Im Unterricht bietet sie einen systematischen Zugang zu Morphologie und Lexik zugleich.

Gerade für Lernende ist dies besonders hilfreich: Wer Wortbildungsregeln kennt, kann die Bedeutung unbekannter Wörter oft ableiten, statt sie auswendig lernen zu müssen. Dies stärkt die Sprachbewusstheit und regt dazu an, mit Sprache kreativ umzugehen – etwa durch das Bilden eigener, verständlicher oder regelkonformer Wortneuschöpfungen.

Auch aus didaktischer Perspektive bietet das Thema zahlreiche Vorteile:

  • Es ermöglicht eine systematische Vermittlung des Wortschatzes statt isolierter Wortlisten.
  • Es fördert die Sprachbewusstheit und das Verständnis für den Aufbau und die Funktion von Wörtern.
  • Es hilft, Fehler zu analysieren und zu erklären – etwa bei der Verwendung von Präfixen oder Suffixen.
  • Es stärkt die aktive Wortproduktion, da Lernende Werkzeuge erhalten, um sich präziser und vielfältiger auszudrücken.
  • Es eröffnet sprachvergleichende Perspektiven, z. B. beim Gegenüberstellen spanischer und deutscher Wortbildungsprozesse, was besonders im mehrsprachigen Unterricht gewinnbringend ist.

Lehrplanbezug (Deutschlandweit)

Zwar ist Wortbildung in den Bildungs- und Kerncurricula aller Bundesländer nicht als eigener Themenbereich ausgewiesen, sie ist aber fester Bestandteil der Kompetenzfelder Sprachbewusstheit, Grammatik und Wortschatzarbeit. Lernende sollen also nicht nur Vokabeln auswendig lernen, sondern Wortbildungs- und Strukturmuster erkennen und nutzen, um Bedeutungen eigenständig zu erschließen und Sprache reflektiert anzuwenden.

Wortbildungsprozesse im Spanischen

Die spanische Sprache bietet eine Vielzahl an Verfahren zur Bildung neuer Wörter. Diese Prozesse sind nicht nur Ausdruck sprachlicher Kreativität, sondern auch ein Spiegel gesellschaftlicher, kultureller und technologischer Entwicklungen. Ausgangspunkt ist dabei immer ein bereits vorhandenes Lexem, das erweitert, kombiniert oder verändert wird, um neue Bedeutungen zu schaffen.

Für den Unterricht eröffnet dieses Thema zahlreiche Möglichkeiten: Wer die wichtigsten Wortbildungsmechanismen kennt, versteht nicht nur, wie sich der Wortschatz einer Sprache erweitert, sondern kann diesen Prozess gezielt zur Förderung von Sprachbewusstheit und Wortschatzarbeit nutzen.

Im Folgenden werden die zentralen Wortbildungsprozesse vorgestellt:

  1. Derivation – Bildung neuer Wörter durch Präfixe und Suffixe (feliz → infeliz, trabajar → trabajador).
  2. Komposition – Kombination mehrerer Lexeme zu einem neuen Wort (sacapuntas, abrelatas, paraguas).
  3. Wortverkürzungen und Akronyme – Reduktion längerer Formen oder Bildung aus Anfangsbuchstaben (profe aus profesor, foto aus fotografía, ONU aus Organización de las Naciones Unidas).
  4. Konversion – Wortartwechsel ohne Formveränderung (el hablar, el poder, un sí rotundo).
  5. Kontamination (Kofferwortbildung) – Verschmelzung zweier Wörter zu einem neuen Ausdruck (motel aus motor + hotel, emoticono aus emoción + icono).
  6. Entlehnungen und Lehnübersetzungen – Übernahme fremdsprachiger Wörter (fútbol, wifi, sushi) bzw. Nachbildung fremder Strukturen (rascacielos nach skyscraper, luna de miel nach honeymoon).

Was bedeutet ‚Produktivität‘ in der Wortbildung?

Nicht alle Wortbildungsprozesse werden gleich häufig genutzt. Manche Verfahren sind hoch produktiv, weil sie regelmäßig neue Wörter hervorbringen – etwa die Derivation mit Suffixen wie -ción (educación) oder Präfixen wie re- (releer). Andere Prozesse, wie Kontaminationen oder Lehnübersetzungen, sind seltener und gelten daher als weniger produktiv. Für den Unterricht ist dieser Unterschied wichtig, weil Lernende vor allem von produktiven Mustern profitieren, um neue Wörter selbständig zu erschließen.

Jeder dieser Prozesse wird im Folgenden genauer erläutert – mit Beispielen, typischen Mustern und Hinweisen, wie sich das jeweilige Phänomen im Unterricht nutzen lässt.

1. Derivation (Ableitung)

Die Derivation bezeichnet die Bildung neuer Wörter durch das Anfügen von Affixen an ein vorhandenes Lexem. Sie ist eines der produktivsten Verfahren der spanischen Wortbildung und ermöglicht es, Bedeutung, Wortart oder stilistische Nuancen zu verändern. So wird aus cantar cantante, aus amor amoroso.

Affixe können verschiedene Funktionen haben. Präfixe verändern die Bedeutung des Stammes, etwa in releer (‘noch einmal lesen’) oder injusto (‘ungerecht’). Suffixe verändern häufig die Wortart oder fügen eine zusätzliche Bedeutungsnuance hinzu, wie in panadero (‘Bäcker’), hermoso (‘schön’) oder ventanilla (‘kleines Fenster’). In manchen Fällen werden Präfix und Suffix kombiniert, etwa in atemorizar aus temor (‘Furcht’).

Besonders typisch für das Spanische sind Diminutive und Augmentative, die zu den produktivsten Suffixen zählen. Diminutive wie perrito (‘Hündchen’) oder ventanilla (‘Fensterchen’) drücken nicht nur Verkleinerung, sondern auch Nähe oder Zuneigung aus (mi abuelita), manchmal auch Ironie (señorito). Augmentative wie hombrazo oder portón verstärken Größe oder Intensität; sie können je nach Kontext auch abwertend wirken, wie in manazo.

Im Unterricht lässt sich die Derivation gut einsetzen, um Sprachbewusstheit und Wortschatzstrukturierung zu fördern. Lernende erkennen, dass sie mit wenigen Grundbausteinen ganze Wortfamilien bilden können. Eine einfache Übung besteht darin, ein Grundwort wie cantar an die Tafel zu schreiben und gemeinsam verwandte Wörter zu sammeln. So entsteht fast automatisch ein Netz aus cantante, cantorio, cantarín – eine anschauliche Demonstration dafür, wie systematisch und kreativ Sprache funktioniert.

Struktur der Derivation & Beispiele

Struktur:
Lexem + Affix → neues Lexem

Beispiele:
cantar → cantante
amor → amoroso

Besondere Phänomene:

  • Rekursive Derivation: moderno → modernizar → modernización
  • Parasynthese: gleichzeitige Präfix- und Suffixbildung ohne Zwischenform: temor → atemorizar (‚Furcht einflößen‘); boca → embocardesembocar
  • Nullderivation: kein lautliches Affix: marchar → marcha, bailar → baile
  • Themavokal: Lautverbindung zwischen Stamm und Suffix: cant-a-ble, discut-i-ble

Affixe & Funktionen:

  • Suffixe (oft Wortartwechsel):
    -ción/-sión → Handlung (educación)
    -ero/-ista → Beruf (panadero)
    -ito/-illo → Diminutiv (perrito)
    -ón/-azo → Augmentativ (manazo)
    -oso/-able → Adjektiveigenschaften (hermoso)
  • Präfixe (semantische Veränderung):
    in-/im- → Negation (injusto ‘ungerecht’)
    re- → Wiederholung (releer ‘noch einmal lesen’)
    sub- → Unterordnung (subterráneo)
    pre- → Vorzeitigkeit (predecir)
  • Infixe (selten): z. B. canturrear (‘vor sich hinsingen’)

Semantik & Produktivität:

Nicht alle Affixe sind gleich produktiv (z. B. -ción, re- häufig), und die Transparenz variiert (panadero ist unmittelbarer als hermoso → hermosura).

Affix-Plakat im Unterricht

Im Unterricht kann ein Affix-Plakat angelegt werden, auf dem neue Beispiele fortlaufend ergänzt und nach Präfixen und Suffixen geordnet werden. Jede Eintragung enthält 2–3 authentische Belege mit kurzer Bedeutungsangabe. So entsteht im Laufe der Zeit eine visuelle Übersicht produktiver Wortbildungsmuster, die Sprachbewusstheit und Wortschatzarbeit unterstützt.

2. Komposition (Zusammensetzung)

Die Komposition bezeichnet die Bildung neuer Wörter durch die Verbindung zweier oder mehrerer selbstständiger Lexeme. Sie ist im Spanischen weniger häufig als im Deutschen, spielt aber dennoch eine wichtige Rolle bei der Erweiterung des Wortschatzes. Beispiele sind sacapuntas, abrelatas oder rascacielos (‘Wolkenkratzer’).

Komposita können auf unterschiedliche Weise gebildet werden. Manche kommen ohne Bindewort aus, etwa ciudad dormitorio (‘Schlafstadt’), andere verwenden eine Präposition wie de (máquina de escribir ‘Schreibmaschine’). Auch komplexe Bildungen wie limpiaparabrisas (‘Scheibenwischer’) zeigen, dass Komposita als Grundlage für neue Zusammensetzungen dienen können.

Für den Unterricht ist die Komposition besonders anschaulich: Lernende können Bedeutungen oft aus den Bestandteilen ableiten. Wer rasca (‘kratzt’) und cielos (‘Himmel’) kennt, versteht die Logik hinter ‚Wolkenkratzer‘. So wird sichtbar, wie Wortbildung Transparenz schafft und Bedeutungen systematisch erschließbar macht.

Struktur der Komposition & Beispiele

Struktur:
Lexem + Lexem → neues Lexem

Beispiele:
canta + autor → cantautor
rasca + cielos → rascacielos (‘Wolkenkratzer’)
coche + cama → coche cama (‘Liegewagen’)

Typen der Komposition:

  • Asyndetisch: ohne Bindewort, z. B. ciudad dormitorio (‘Schlafstadt’), rascacielos
  • Syntagmatisch: mit Bindewort, meist de, z. B. máquina de escribir (‘Schreibmaschine’), perro de caza (‘Jagdhund’)
  • Rekursiv: bestehende Komposita dienen als Basis für neue: parabrisas (‘Windschutz’) → limpiaparabrisas (‘Scheibenwischer’)
  • Formales Merkmal: meist ohne Bindeelement; selten mit -o-, wie in germano-francés (‘deutsch-französisch’)

Determinierung:

  • Postdetermination: das bestimmende Element folgt: coche cama (‘ein Wagen zum Schlafen’, also ‘Schlafwagen’)
  • Prädetermination: das bestimmende Element steht voran: telenovela (‘Fernsehserie’)

Komposita sind besonders transparent, wenn die Bestandteile leicht erkennbar bleiben. Im Unterricht kann dies genutzt werden, um Wortbedeutungen zu erschließen und Wortbildungsstrategien zu reflektieren.

Komposita im Unterricht sichtbar machen

Bitten Sie die Lernenden, zusammengesetzte Wörter aus authentischen Texten zu sammeln und ihre Bestandteile zu markieren. Anschließend kann gemeinsam überlegt werden, welche Struktur (Prä- oder Postdetermination) vorliegt und ob die Zusammensetzung auch im Deutschen oder in den Herkunftssprachen der Lernenden vorkommt. So werden sprachübergreifende Muster sichtbar, die Sprachbewusstheit fördern und einen Vergleich mit Mehrsprachigkeitssituationen ermöglichen.

3. Verkürzungen und Abkürzungen

Die Verkürzung von Wörtern ist ein häufiges Mittel, um Kommunikation ökonomischer zu gestalten. Besonders in Medien- und Jugendsprache werden längere Formen abgekürzt, ohne dass die Verständlichkeit leidet. Beispiele sind autobúsbus, bicicletabici oder ferrocarril metropolitanometro (‘U-Bahn’). Solche Kürzungen übernehmen meist das Genus des Ursprungsworts, manchmal jedoch nicht (el servicio militar → la mili ‘Wehrdienst’).

Daneben entstehen durch Akronyme neue Wortformen aus Anfangsbuchstaben: ONU (‘Organización de las Naciones Unidas’), sida (‘Síndrome de Inmunodeficiencia Adquirida’). Einige werden zu eigenständigen Lexemen weitergebildet, z. B. sidoso (‘an AIDS erkrankt’) oder betetista – eine informelle Neubildung aus dem Akronym BTT (‘bicicleta todo terreno’) und dem Suffix -ista, im Sinne von ‘jemand, der Mountainbike fährt’. Das Wort ist nicht standardsprachlich und im DLE nicht verzeichnet, zeigt aber die Produktivität solcher Bildungen.

Diese Formen zeigen, wie flexibel Sprache auf neue Kommunikationssituationen reagiert. Lernende können daran nachvollziehen, dass Wortbildung auch Vereinfachung und Anpassung bedeutet.

Struktur der Verkürzungen & Abkürzungen

Wortverkürzungen

  • Aphärese: Anfang entfällt – autobús → bus
  • Apokope: Ende entfällt – bicicleta → bici
  • Komplexe Ellipse: ferrocarril metropolitano → metro (‘U-Bahn’)

Akronyme

  • Buchstabiert: ITV (‘Inspección Técnica de Vehículos’)
  • Gesprochen: sida (‘Síndrome de Inmunodeficiencia Adquirida’)
  • Weiterbildungen: sidoso, BTT → betetista

Verkürzte Wörter behalten meist das Genus des Ursprungswortes (el autobús → el bus), können aber abweichen (el servicio militar → la mili).

Abkürzungen erkennen und verstehen

Sammeln Sie mit der Klasse aktuelle Kürzungen aus Schlagzeilen oder digitalen Medien. Besprechen Sie, welche Art von Verkürzung vorliegt, und lassen Sie die Lernenden ähnliche Muster in den Herkunftssprachen suchen. So wird Sprachökonomie als universelles Prinzip sichtbar.

4. Konversion (Wortartwechsel)

Die Konversion bezeichnet den Wechsel der grammatischen Kategorie, ohne dass sich die Wortform verändert. Aus einem Verb wie hablar wird mit Artikel el hablar (‘das Sprechen’), aus einem Adjektiv wie verde wird el verde (‘das Grün’). Umgekehrt kann ein Substantiv wie granate (‘Granat’) adjektivisch gebraucht werden (‘granatrot’).

Im Spanischen wird der Wortartwechsel meist durch den Artikel markiert, während im Deutschen die Großschreibung signalisiert, dass ein Verb substantiviert wurde. Solche Unterschiede bieten einen idealen Anlass, Wortarten bewusst zu reflektieren.

Struktur der Konversion & Beispiele

Bei der Konversion bleibt die Form unverändert; die neue Wortart ergibt sich aus der syntaktischen Umgebung. Der Artikel oder das Satzgefüge weist auf die neue Kategorie hin.

  • hablar (Verb) → el hablar (‘das Sprechen’)
  • verde (Adjektiv) → el verde (‘das Grün’)
  • granate (Substantiv) → granate (Adjektiv ‘granatrot’)

Wortarten reflektieren

Arbeiten Sie mit authentischen Beispielen aus Presse oder Liedtexten, in denen Konversion vorkommt. Lassen Sie die Lernenden markieren, welche Wörter ihre Kategorie gewechselt haben, und vergleichen Sie anschließend ähnliche Strukturen im Deutschen und in den Herkunftssprachen.

5. Kontamination (Kofferwortbildung)

Die Kontamination – auch Kofferwortbildung – verschmilzt zwei bestehende Wörter zu einem neuen Ausdruck. Sie dient oft der sprachlichen Verdichtung oder dem humorvollen Effekt. Beispiele sind motel (aus motor + hotel), emoticono (aus emoción + icono) oder almuerzayuno (‘Brunch’, aus almuerzo + desayuno). Das Wort motel wurde ursprünglich aus dem Englischen übernommen, wo die Kontamination entstand, bevor sie ins Spanische Eingang fand.

Diese Wortbildungsart illustriert besonders deutlich sprachliche Kreativität: Sprecher:innen kombinieren bekannte Elemente neu, um etwas Eigenes zu schaffen.

Struktur der Kontamination & Beispiele

Bei Kontaminationen werden zwei Wörter verschmolzen, wobei Bestandteile und Bedeutungen beider Elemente kombiniert werden. Die neu entstehende Form ist semantisch nachvollziehbar, aber formal neu.

  • motor + hotelmotel
  • emoción + iconoemoticono
  • almuerzo + desayunoalmuerzayuno (‘Brunch’)

Sprachkreativität fördern

Lassen Sie Lernende neue Kofferwörter aus spanischen Wortpaaren bilden, ihre Bedeutung erklären und die Übersetzung ins Deutsche oder in die Herkunftssprachen diskutieren. So wird sichtbar, wie flexibel Sprache auf neue Konzepte reagiert.

6. Entlehnungen und Lehnübersetzungen

Entlehnungen entstehen, wenn Wörter aus einer anderen Sprache übernommen werden, während Lehnübersetzungen deren Bedeutung mit spanischen Elementen nachbilden. Beide Prozesse spiegeln kulturelle und technologische Entwicklungen wider. Dabei kann es bei Entlehnungen mehrere Schreibweisen geben, etwa fútbol (‘Fußball’) und futbol, wie sie in manchen Varianten des Spanischen verwendet wird. Weitere Informationen zur Orthographie solcher Fremdwörter finden sich im Kapitel zur Orthographie.

Typische Entlehnungen sind fútbol, sándwich, software oder wifi.
Lehnübersetzungen wie rascacielos (‘Wolkenkratzer’) oder perro caliente (‘Hotdog’) zeigen, wie sich fremde Begriffe in die eigene Struktur integrieren.

Typen der Entlehnung & Beispiele

a) Lehnwörter (préstamos léxicos)

  • fútbol (‘Fußball’)
  • sándwich (‘Sandwich’)
  • software (‘Software’)
  • wifi (‘WLAN’)

b) Lehnübersetzungen (calcos)

  • skyscraper → rascacielos (‘Wolkenkratzer’)
  • hotdog → perro caliente (‘Hotdog’)

Beide Prozesse zeigen den ständigen Austausch zwischen Sprachen. Manche Lehnwörter werden vollständig integriert (*fútbol*), andere bleiben als Fremdwörter markiert (*software*).

Sprachkontakt erfahrbar machen

Sammeln Sie mit der Klasse aktuelle Entlehnungen aus spanischen Medien. Lassen Sie entscheiden, ob es sich um Lehnwörter oder Lehnübersetzungen handelt, und vergleichen Sie entsprechende Formen im Deutschen und in den Herkunftssprachen. Diskutieren Sie anschließend: Wie könnte man ein deutsches Wort wie „Homeoffice“ ins Spanische übersetzen? So wird deutlich, dass Mehrsprachigkeit ein Motor sprachlicher Innovation ist (vgl. Kapitel Herkunftssprachen).

Ab wann gehört ein neues Wort nun (offiziell) zu einer Sprache?

Ob ein Wort „existiert“, hängt zunächst vom Gebrauch ab: Ein Wort gibt es, sobald es von Sprecher:innen verwendet und verstanden wird – unabhängig davon, ob es schon in einem Wörterbuch steht. Wörterbücher verzeichnen dagegen vor allem jene Ausdrücke, die sich in einer Sprachgemeinschaft über längere Zeit hinweg etabliert haben und als allgemein verständlich gelten. Erst dann wird ein Eintrag in Nachschlagewerken wie dem Diccionario de la lengua española wahrscheinlich.

Diese Unterscheidung zeigt sich auch in alltäglichen Situationen: In Spielen wie Scrabble oder Apalabrados dürfen nur Wörter gelegt werden, die „offiziell“ in einem Wörterbuch stehen – obwohl viele neue oder regionale Wörter längst im Sprachgebrauch existieren.

Dabei gilt außerdem: Das DLE dokumentiert den Kern des allgemeinen Wortschatzes, nicht aber jede regionale oder zeitlich begrenzte Neuerung. Andere Wörterbücher erfassen zusätzliche Bereiche des Spanischen, etwa das Diccionario de Americanismos für den hispanoamerikanischen Raum oder das Diccionario del español de México für mexikanische Varietäten. Sprache bleibt also immer in Bewegung und kann nie vollständig abgebildet werden.

Über Wörterbücher und lebendige Sprache sprechen

Im Unterricht kann es anregend sein, gemeinsam zu überlegen, welche neuen Wörter gerade verwendet werden, die (noch) nicht im Duden oder im DLE stehen – etwa crush, stalkear oder emoji. So wird sichtbar, dass Wörter nicht erst durch ihre Aufnahme ins Wörterbuch existieren, sondern durch den alltäglichen Gebrauch. Diese Reflexion fördert Sprachbewusstheit und zeigt, dass auch Jugendsprache Teil sprachlicher Kreativität ist.


Wir fassen noch einmal zusammen

Das Kapitel hat gezeigt, wie vielfältig Wortbildung im Spanischen funktioniert:

  • Derivation bildet neue Wörter durch Präfixe und Suffixe.
  • Komposition kombiniert vorhandene Lexeme zu neuen Einheiten.
  • Verkürzung und Abkürzung schaffen kompakte Formen für den schnellen Gebrauch.
  • Konversion verändert die Wortart ohne formale Änderung.
  • Kontamination illustriert spielerische Kreativität durch Verschmelzung.
  • Entlehnungen und Lehnübersetzungen zeigen den Einfluss anderer Sprachen.

Sprache bleibt damit ein dynamisches System: Sie spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen wider und verändert sich mit jedem neuen Gebrauch.
Für den Unterricht bedeutet das: Wortbildung ist nicht nur Grammatik, sondern ein Zugang zu sprachlicher Kreativität und kultureller Vielfalt. Lehrkräfte können Lernende dazu anregen, Wortbildungsprozesse zu beobachten, zu vergleichen und selbst kreativ anzuwenden.

Wer mehr wissen will (klickt hier)

Einführende Darstellungen zur Wortbildung bieten Kabatek/Pusch (2011), die zentrale Begriffe der spanischen Morphologie vorstellen und in den Gesamtaufbau des Lexikons einordnen. Speziellere und vertiefende Analysen finden sich bei Rainer (1993) sowie Varela (2005), die Formen, Funktionen und Produktivität einzelner Wortbildungsmuster systematisch beschreiben. Sehr ausführlich behandelt das Thema natürlich auch die monumentale Nueva gramática de la lengua española (RAE/ASALE 2009 und zuletzt 2025) – die Ausgabe von 2009 ist online sogar durchsuchbar: https://www.rae.es/gramática/.

Für didaktisch orientierte Zugänge zur Wortbildung sind vor allem Serrano-Dolader (2019) und Entre/Gumiel-Molina (2024) relevant. Beide Werke verbinden linguistische Grundlagen mit methodischen Vorschlägen für den Unterricht. Ergänzend bietet das Online-Dossier des Instituto Cervantes praxisnahe Materialien und Aufgabenformate.


Literatur

  • Asociación de Academias de la Lengua Española (online): Diccionario de americanismos (DAMER). Online: https://www.asale.org/damer/
  • Colegio de México (online): Diccionario del español de México (DEM). Online: https://dem.colmex.mx/
  • CVC – Instituto Cervantes (Hrsg.): La formación de palabras en la clase de ELE. In: Antología didáctica de morfología. Online: https://cvc.cervantes.es/
  • Entre, María Ángeles / Gumiel-Molina, Susana (Hg.) (2024): Didáctica de la morfología. Alcalá de Henares: Universidad de Alcalá.
  • Kabatek, Johannes / Pusch, Claus D. (2011): Spanische Sprachwissenschaft. 2. Auflage. Tübingen: Narr Francke Attempto.
  • Rainer, Franz (1993): Spanische Wortbildungslehre. Tübingen: Niemeyer.
  • Real Academia Española (online): Diccionario de la lengua española (DLE). Online: https://dle.rae.es/
  • Real Academia Española / Asociación de Academias de la Lengua Española (2005): Diccionario panhispánico de dudas. Madrid: Santillana. Online: https://www.rae.es/dpd/
  • Real Academia Española / Asociación de Academias de la Lengua Española (2009 / 2025): Nueva gramática de la lengua española. Madrid: Espasa. Online: https://www.rae.es/gramática/
  • Serrano-Dolader, Daniel (2019): Formación de palabras y enseñanza del español LE/L2. London / New York: Routledge.
  • Varela Ortega, Soledad (2005): Morfología léxica: la formación de palabras. Madrid: Gredos.

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Büşra Özen, Teodora Teodorescu, Felix Tacke (2025): „Lexikalische Kreativität“. In: Tacke, Felix (Koord.): Spanische Linguistik @ School. Marburg: Universität Marburg. Online: https://linguistik.online.uni-marburg.de/ DOI: 10.5281/zenodo.15348687

Auch nutzbar nach CC BY-SA 4.0-Lizenzregeln.


  1. Autor:innen: Büşra Özen, Teodora Teodorescu, Felix Tacke

    Beiträge & Peer Review: Lea-Marie Domin, Jamaa Khodja

    Letzte Änderung: 07.11.2025