2.3 Orthographie (Beta)1¶
„Se escribe (casi) como se habla“¶
Als Lehrkraft für Spanisch hat man den Vorteil, dass man sich im Unterricht viel weniger mit der Schreibung des Spanischen auseinandersetzen muss als die Kolleg:innen, die Englisch oder Französisch unterrichten. Das Spanische weist bekanntlich eine sehr einfache Orthographie auf. Mehr noch: Das Spanische besitzt im Vergleich mit anderen Sprachkulturen, die ein alphabetisches Schriftsystem zugrunde legen, sogar eine der ‚besten‘ Orthographien. Gemeint ist, dass hier – noch viel mehr als im Deutschen – gilt, dass man schreibt, wie man spricht und spricht, wie man schreibt. Wie phonographisch ein Schriftsystem im Detail ist, kann anhand der sogenannten Graphem-Phonem-Korrespondenzen (GPK) bemessen werden, die das Verhältnis zwischen geschriebenem Zeichen (Graphem) und gesprochenem Laut (Phonem) beschreiben. Das schon in der Antike benannte Ideal ist nämlich, dass möglichst ein 1:1-Verhältnis vorliegen soll, d.h. ein Laut entspricht einem Buchstaben und ein Buchstabe entspricht einem Laut. Keine Orthographie entspricht diesem Ideal vollständig, aber in manchen Sprachkulturen liegt sie der Aussprache näher als in anderen, also ‚phonographischer‘ oder ‚phonologisch transparenter‘. Ist das der Fall, spricht man von einem ‚flachen‘ System. Weicht ein Schriftsystem aber stark ab von diesem Ideal und enthält in der Graphie viele Informationen, die morphologisch oder etymologisch motiviert sind, oder spiegeln noch eine viel ältere Aussprache wider, wie das im Englischen und Französischen der Fall ist, so spricht man von ‚tiefen‘ Schriftsystemen. Vergleicht man die romanischen Sprachen mit Deutsch und Englisch, wäre die Reihenfolge wie folgt:
Italienisch (am ‚flachsten‘)
Spanisch
Portugiesisch
Deutsch
Französisch
Englisch (am ‚tiefsten‘)
Ein Kapitel zur linguistischen Betrachtung der Orthographie des Französischen oder Englischen müsste daher sehr umfangreich sein, um das System zu beschreiben und einen linguistisch fundierten Umgang damit auszuloten (in Kreyers Toolkit gibt es dazu kein Kapitel).
Orthographien im Vergleich: Beispiele aus anderen (Schul-)Sprachen
Text
Dieses Kapitel ist dagegen übersichtlich, denn hier gilt es lediglich, die Abweichungen vom Ideal zu beschreiben, also jene Aspekte der spanischen Orthographie, die man als ‚Ausnahmen‘ bezeichnet und hier und da etwas ‚Tiefe‘ aufweisen. Spanischlernende können beim Erlernen der Orthographie schon früh Erfolgserlebnisse haben, wenn sie einige wenige Regeln und noch weniger dieser Ausnahmen beherrschen. Darüber hinaus wird hier auch auf die Akzentsetzung eingegangen, die überaus schnell erlernt werden kann und ebenfalls viel simpler als in anderen Sprachen ist.
Man schreibt so, wie (in Kastilien) gesprochen wird¶
Eines sollte man kurz bedenken: Die spanische Orthographie ist zwar nah an der Aussprache, aber die Aussprache ist in der spanischsprachigen Welt natürlich nicht einheitlich (siehe Aussprachevariation). Je nachdem, wessen Aussprache man zugrunde legt, kann die Orthographie also doch etwas ‚tiefer‘ sein und damit auch etwas schwieriger zu erlernen. Orthographien variieren viel weniger als die gesprochene Sprache, denn hier gelten besonders konservative, schulisch vermittelte Regeln. Sie sollen für alle Sprecher:innen einheitlich und zeitlich möglichst konstant sein, weshalb selbst kleine Reformen meist auf Widerstand stoßen. Die spanische Orthographie bildet auch heute noch an die traditionelle Aussprache Kastiliens ab, die im Vergleich mit anderen Varietäten ein sogenanntes ‚Maximalsystem‘ aufweist, da dort und sowie und unterschieden werden. Zwar sind weltweit die allermeisten Sprecher:innen seseantes und selbst in Kastilien gibt es heute kaum noch yeístas, aber die Orthographie spiegelt dies nicht wider. Für die Mehrheit entspricht die graphische Unterscheidung zwischen <s>
, <z>
, <c>
(vor <e>
und <i>
) sowie zwischen <ll>
und <y>
also nicht der eigenen Aussprache (und ist somit eine potenzielle Fehlerquelle). Frühere Reformversuche und eigene ‚amerikanische‘ Orthographien sind gescheitert oder wurden wieder aufgegeben. Heute gilt die Orthographie allen spanischsprachigen Ländern als Symbol der Einheit, während Aussprache, Wortschatz und Grammatik plurizentrisch variieren.
Fast perfekt: Abweichungen vom Ideal¶
Je genauer man hinschaut, desto mehr Abweichungen vom Ideal der 1:1-Entsprechung von Lauten und Buchstaben fallen im Spanischen auf. Diese kurz unter schriftlinguistischen Gesichtspunkten zu reflektieren, ist auch für den Spanischunterricht nützlich, liegen doch genau hier die Herausforderungen und potenziellen Fehlerquellen, aber auch Erfolgserlebnisse bei guter Vermittlung. Im Folgenden werden nur auf die häufigsten und somit relevantesten Fälle erläutert – vollständige Analysen finden sich in der unten angegebenen Fachliteratur.
Vokale¶
Bei den Vokalen gibt es nur wenige Abweichungen. So enden spanische Wörter nie auf unbetontem <i>
, es sei denn, es handelt sich um Fremdwörter (bikini, taxi). Wörter die auf Diphthong mit enden, werden am Wortende mit <y>
geschrieben, wie in rey oder muy. Auch die Konjunktion y wird mit <y>
geschrieben (im Katalanischen dagegen rei, i usw.).
Eine kleine Herausforderung stellen geschriebene Vokale dar, die nur diakritische (also unterscheidende) Funktion ohne eigenen Lautwert aufweisen. Das gilt in vielen Sequenzen für <u>
, nämlich nach <g>
und in <qu>
, um zu kennzeichnen, dass diese als Plosive (Verschlusslaute) zu artikulieren sind, wie in guitarra, guerra, queso und quitar. Übrigens ist das in den Orthographien beispielsweise des Französischen und Portugiesischen genauso. Im Italienischen ist das Prinzip identisch, nur der diakritisch verwendete Buchstabe ein anderer, nämlich <h>
: Dort schreibt man <ch>
und <gh>
, wie in che ‘dass’ (statt fr./pt./sp. que), macchina ‘Auto’, spagghetti und funghi.
In der Herausforderung liegt natürlich eine Chance: Schüler:innen, die diese Zusammenhänge verstehen, haben auch mit der Verbalmorphologie keine Schwierigkeiten. Beispielsweise erklärt das, warum llegas im Subjuntivo llegues mit <gu>
wird und tocas im Subjuntivo toques. Die seltenen Fälle von <ü>
, also dem Buchstaben mit Trema, hebeln dieses Prinzip aus: Das Trema zeigt an, dass der Buchstabe <u>
nach <g>
oder <q>
ausnahmsweise tatsächlich als (bzw. als Halbvokal ) ausgesprochen wird, wie in pingüino , vergüenza , antigüedad oder auch lingüística . Der Lautwert entspricht also nicht dem deutschen <ü>
, das für den Vokal wie in übel steht.
Konsonanten¶
Systematische Alternanzen: <c>
vs. <z>
, <g>
vs. <j>
¶
Da es mehr Konsonanten als Vokale gibt, finden sich hier natürlich mehr Abweichungen vom Ideal. Das gerade besprochene diakritische <u>
wird ja nur benötigt, weil die Buchstaben <c>
und <g>
in den romanischen Sprachen (nicht nur im Spanischen!) mehr als einen Lautwert erhalten haben. ‚Eigentlich‘ stehen sie für und , aber wenn ein vorderer Vokal, also oder , folgt, dann repräsentieren sie per Konvention die Laute (bzw. im seseo) und . Beispiele hierfür sind hacer (seseo: ), cine bzw. , gente , gigante .
Umgekehrt werden die Laute <z>
und <j>
wiedergegeben, wenn die Vokale darauf folgen wie in zapato bzw. oder jugar .
México, zigzag
Ausnahme: <x>
in México ...
Und auch hier liegen Chancen, denn hieraus erklären sich wiederum Alternanzen in vielen Verbformen wie empezar – empecé, llegar – llegué, coger – cojo.
Unsystematische Alternanzen, gleicher Laut: <b>
vs. <v>
¶
<b>
vs.<v>
für /b/
Heute stumm: <h>
¶
Ein reiner Anfängerfehler ist bekanntlich das im Spanischen geschriebene, aber immer ‚stumme‘ <h>
auszusprechen. Der Buchstabe hat also keinen Lautwert, weder am Wortanfang (z.B. hay, hombre), noch innerhalb des Wortes (z.B. deshonra, prohibir). Das <h>
ist dabei manchmal etymologisch motiviert, wie in haber (< lat. habēre) oder hombre (< lat. hominem), manchmal wurde es zur Differenzierung von uneindeutigen Lautwerten vor Diphthongen eingeführt wie in hueso (< lat. ossium/ossum) oder es dient zur Kennzeichnung des Silbenbeginns wie in cacahuete. In jedem Fall bleibt es stumm. Wer mehr über das
Weitere Inhalte¶
- Vgl. Hausarbeit für Theorie und Beispiele
Wortakzent¶
Orthographischer Akzent/Tilde¶
-
Autor:innen: Marlon Merte, Felix Tacke
Letzte Änderung: 28.07.2025 ↩